Was ist der Versorgungsausgleich?
Der Versorgungsausgleich regelt die Verteilung von Rentenanwartschaften, also die Rentenrechte und Rentenerwerbsaussichten zwischen den Ehepartnern nach der Scheidung. Der Versorgungsausgleich umfasst alle Versorgungsanwartschaften auf Rentenbasis, welche monatlich ausgezahlt werden. In der Regel zahlt jeder arbeitender Mensch in Deutschland monatliche Beiträge in eine Rentenversicherung.
Bei Angestellten und Arbeitnehmern wird ein Teil des Lohnes einbehalten und an die gesetzliche Rentenversicherung abgeführt. Daneben zahlt auch der Arbeitgeber einen Anteil zur gesetzlichen Rentenversicherung für jeden seinen Arbeitnehmer.
Freiberufler wie zum Beispiel Ärzte, Rechtsanwälte, Architekten, Künstler etc. sind in der Regel Mitglieder eines berufsständigen Versorgungswerks, welche die Zahlung einer Rente garantieren soll. Auch hierfür müssen Freiberufler monatlich Beiträge zahlen, damit sie ebenfalls Ansprüche auf Rentenzahlung im Alter erwerben.
Häufig entscheiden sich die Ehepartner dazu Kinder zu bekommen und vereinbaren, dass der eine Ehegatte weiterhin für den Lebensunterhalt sorgt, während sich der andere den Kindern widmet und nicht, oder nur geringfügig arbeitet, was zur Folge hat, dass er keine oder nur geringfügige Rentenansprüche erwerben kann.
Da die Entscheidung, die Kinder von einem Elternteil betreuen zu lassen, von beiden Ehegatten gemeinsam getroffen wurde, wäre es ungerecht, wenn ein Ehegatte in vollem Umfang Rentenansprüche erwirbt, während der andere Ehegatte, der sich der Betreuung der gemeinsamen Kinder widmet, im Falle einer Scheidung dadurch Nachteile in seiner Altersversorgung hat.
Um dieser Ungerechtigkeit vorzubeugen, hat der Gesetzgeber entschieden, dass im Falle einer Scheidung beide Ehepartner gleichgestellt werden, so als ob sie während der Ehezeit gleich viele Rentenbeiträge eingezahlt hätten.
Jedes einzelne Rentenrecht ist beim Versorgungsausgleich auszugleichen.
In der Bilanz werden damit die niedrigeren Rentenansprüche des einen Ehegatten mit denen des anderen ausgeglichen.
Wie wird der Versorgungsausgleich durchgeführt?
Der Versorgungsausgleich wird bei der Beantragung der Scheidung durch das Familiengericht durchgeführt. Hierzu werden vom Gericht Fragebögen an beide Parteien versandt, die diese ausfüllen und zurückschicken müssen. Das Gericht holt dann bei den Rentenversicherungsträgern Auskünfte über die Rentenansprüche ein und legt daraufhin für jedes einzelne Anrecht fest, wieviel an den anderen übertragen werden muss.
In den Versorgungsausgleich einzubeziehen sind insbesondere Anwartschaften aus:
- gesetzliche Rentenversicherung,
- Beamtenversorgung,
- betriebliche Altersversorgung einschließlich der Zusatzversorgung des öffentlichen Dienstes
- berufsständische Altersversorgungen,
- private Lebensversicherungen auf Rentenbasis.
Sofern die Eheleute Anwartschaften jeweils im gleichen Versorgungssystem haben, werden die Rechte von einem Versicherungskonto auf das des anderen verschoben (sogenannter „Hin- und Her-Ausgleich“).
Bestehen die Anwartschaften in verschiedenen Versorgungssystemen, ist für den Ausgleichsberechtigten ein eigenes Rentenkonto zu errichten, wenn die Satzung des betreffenden Versorgungsträgers dies zulässt.
Ansonsten muss der Ausgleichsberechtigte eine sogenannte Zielversorgung wählen. In Zweifelsfällen ist dies die Versorgungsausgleichskasse, wenn keine Zielversorgung gewählt wird oder diese die Annahme der übertragenen Rentenanwartschaften verweigert. Die Versorgungsausgleichskasse ist eine gesetzlich normierte Pensionskasse.
Das Versorgungsausgleichsverfahren ist ein sogenanntes Amtsermittlungsverfahren, das notwendigerweise vom Gericht durchgeführt wird. Das Gericht kann die Mitwirkung hierzu, zum Beispiel durch Ordnungsgeld, erzwingen.
Im Termin zur Scheidung wird über den Versorgungsausgleich durch Beschluss entschieden.
Kann man auf den Versorgungsausgleich verzichten?
Grundsätzlich muss der Versorgungsausgleich bei jeder Scheidung durchgeführt werden. Davon gibt es aber Ausnahmen:
1. Bei Ehen von höchstens drei Jahren Dauer
Wenn die Eheleute vom Tag der Heirat an gerechnet bis zur Einreichung der Scheidung noch keine drei Jahre verheiratet sind, wird der Versorgungsausgleich nur durchgeführt, wenn einer von ihnen dies beantragt.
2. Wenn beide Eheleute Ausländer sind oder beide Eheleute im Ausland leben.
3. Falls nur einer der Eheleute Ausländer ist, oder falls nur ein Ehegatte im Ausland lebt:
In diesen Fällen können die Eheleute unter Umständen wählen, dass die Scheidung nicht nach deutschem Recht erfolgen soll, sondern nach dem jeweiligen ausländischen Recht. Nach ausländischen Rechten ist in der Regel kein Versorgungsausgleich durchzuführen.
4. Bei Ehen über drei Jahren Dauer
Auch bei einer Ehedauer von über drei Jahren ist es möglich, auf den Versorgungsausgleich zu verzichten unter folgenden Voraussetzungen:
a) Bei Ehen über drei Jahren Dauer muss das Gericht prüfen, ob der Verzicht nicht ausnahmsweise sittenwidrig ist.
Das Gericht muss eine sogenannte Billigkeitsprüfung vornehmen um festzustellen, ob der Verzicht nicht einen der Ehegatten unangemessen benachteiligt.
Eine unangemessene Benachteiligung liegt beispielsweise vor, wenn einer der Ehegatten wegen Erziehung von gemeinsamen Kindern, Krankheit, fehlender Berufsausbildung, langer Ehedauer, sogenannter Hausfrauenehe etc. keine eigene ausreichende Altersvorsorge aufbauen konnte und auch in Zukunft nicht kann.
Eine unangemessene Benachteiligung liegt dagegen nicht vor, wenn nachgewiesen wird, dass der Verzicht durch andere Faktoren, wie zum Beispiel ausreichendes eigenes Vermögen oder Kompensierung durch Zahlung eines Geldbetrages, ausgeglichen wird.
b) Bei einer Ehe über drei Jahren Dauer ist der Verzicht auf den Versorgungsausgleich außerdem an bestimmte Formvorschriften gebunden.
Es kommen zwei Möglichkeiten zum Abschluss eines wirksamen Verzichts in Frage:
- Ein Vergleich durch einen Notarvertrag. Dieser Weg wird häufig gewählt in Kombination mit vermögensrechtlichen Vereinbarungen und/oder Übertragung von Grundeigentum.
- Ein Vergleich vor dem Gericht. Dieser Vergleich kann im Scheidungstermin abgeschlossen werden. Dieser Weg wird häufig gewählt, wenn ansonsten nichts zu regeln ist.
Kann das Gericht den Versorgungsausgleich ausschließen?
Bei grober Unbilligkeit kann der Versorgungsausgleich herabgesetzt und sogar ausgeschlossen werden (§ 27 VersAusglG).
Grobe Unbilligkeit ist gegeben, wenn die starre Durchführung des Versorgungsausgleichs aus besonderen Gründen zu einem untragbaren Ergebnis führt. Die Unbilligkeit muss eine Abweichung vom Grundsatz der hälftigen Teilung der Anrechte rechtfertigen, das heißt, die Gründe für die Abweichung müssen schwerwiegend sein.
Hierzu führt das Gericht eine Gesamtabwägung aller vorliegenden Umstände (Alter, Gesundheit, Erwerbsmöglichkeit etc.) durch. Ein Trennungsverschulden alleine führt noch nicht zur Bejahung eines Härtefalls.
Beispiele sind: Ein phasenverschobener Erwerb von Anwartschaften bei Finanzierung des Studiums durch einen Partner; ein großer Altersunterschied, bei dem der andere Partner noch weitere Anrechte erwerben kann; Straftaten gegenüber dem Partner etc.
Auch bei langer Trennungszeit kann die Durchführung des Versorgungsausgleichs unbillig sein und (teilweise) ausgeschlossen werden.
Ein weiterer Grund zum Ausschluss des Versorgungsausgleichs wäre anzunehmen, soweit der Berechtigte während der Ehe längere Zeit hindurch seine Pflicht zum Familienunterhalt beizutragen, gröblich verletzt hat.
Über das komplexe Thema Versorgungsausgleich mit den dadurch verbundenen vielfältigen Fragen, sollten Sie sich ausführlich durch einen Fachanwalt Ihres Vertrauens beraten lassen.